3. November 2008

REPORT 10 * U 23 WM Kaohsiung/Taiwan * Moment mal !

Wie kann man sich eigentlich auf ein Spiel vorbereiten, dass nicht nur im Vorfeld als ein wichtiges Spiel erkannt wurde, sondern sich auch im Laufe des Turniers herausstellt, dass die Mannschaft, gegen die das eigene Team morgen antreten muss, wirklich stark ist? Deutschland ist Gruppenzweiter mit 6 Punkten, es folgt Russland mit 5 Punkten. Das erklärte Ziel unserer Mannschaft ist im ersten Schritt natürlich der 2. Gruppenplatz, um in den Spielen um die Plätze 1 bis 4 dabei zu sein. Das gelingt nur bei einem Sieg gegen Russland....
Was ist nicht schon alles philosophiert worden, wie man Spiele gewinnen kann. "Der Ball ist rund.." und "..gespielt wird auf dem Platz", und was weiss ich nicht Alles. Es gibt immer Erklärungen oder Strategien oder Anweisungen, millionenfach. Ich habe aber etwas gesehen, was ich Ihnen berichten muss. Eine ganz neue Art. Das geht aber nur in Taiwan...
Gestern war ich am Lotussee, im Norden von Kaohsiung gelegen. Der Bereich wird geprägt von südostasiatischem Flair, es gibt einen wunderschönen See, in den dreifach- und fünfachübereinandergetürmte Pagoden gebaut sind, zu denen Stege führen. Die Stege sind mit bunten Laternen und Lampions geschmückt, große Figuren beschwören die asiatischen Tierzeichen: Drachen gibt es und Tiger.. große Figuren aus der taiwanesischen Sagen- und Märchenwelt. Viele religiöse und historische Hintergründe zeigen Figuren aus Stein, Generäle aus der Regentschaft der Chin-Kaiser, die feindliche Angreifer in die Flucht geschlagen haben.
Keine schlechte Umgebung, um an "Angreifer" zu denken.... ich hatte es kaum ausgesprochen, die Sonne stand schon ziemlich tief, viele Menschen waren schon nicht mehr zu sehen, ich saß auf einer Bank am Wong Tai Sin Tempel, als ich zwei Typen in geduckter Haltung über die Wiese, die vor dem Tempel angelegt war, schleichen sah. Sie gingen nicht den Weg entlang.... sie schlichen in geduckter Haltung, immer im Schatten der Palmen Schutz suchend.... schon waren sie am Fusse der Tempeltreppe angekommen. Mittlerweile warf die Sonne lange Schatten über die rotlackierten Säulen des Vortempels, der ideale Ort, um im Schutze der Schatten ins Tempelinnere zu gelangen. Die Typen liefen jetzt schneller... mmmhh, kenne ich die?
Beide in roten T-Shirts, beide unrasiert.... der eine, vielleicht 1,85 m groß, der andere etwas kleiner, dafür mit Brille... "Komm schon, beeil' dich, wir haben nicht ewig Zeit", raunste der erste, der jetzt schon über die Schwelle der Tempelhalle gespurtet war. Der zweite, mmmhh, sportlicher Typ, hatte einen Beutel unter dem Arm und sprang wie eine Gazelle über den mit feuerspeienden Drachen verzierten Eingangsteppich. An der Hose des Zweiten verliefen rechts und links drei Streifen vom Bund bis zum Hosenende. Sportler? "Wen nehmen wir?" flüsterte der Zweite.. "Buddha? Laotse? oder Konfuzius?" "Egal, sind ja alle drei hier," zischte der Erste, " ich fang schon mal an!". Ich musste meine Deckung verlassen, konnte nicht richtig sehen, was geschah, aber ich glaube, der erste war gerade dabei, der riesigen, goldenene Figur, die im Zentrum des Tempels stand, den großen Zeh zu küssen.
"zisch, zisch, zisch..." ich drehte mich um. Schon hatte der Zweite drei Weihrauchstäbchen in den Sand gestossen, der im Messingkorb in Raummitte stand. Die Schüssel war geschmückt mit goldenen Drachen, die den Weihrauchschwur nur noch unterstützen sollte. "Drei Stäbchen für unsere ersten drei Körbe, in zwei Minuten..", Erleichterung war auf den Gesichtern der Bärtigen erkennbar. "Wir sind auf einem guten Weg". "Zisch, zisch, zisch" schon waren drei weitere Stäbchen in den Sand gestossen. "und jetzt die roten Stäbchen für alle 2,50iger, die wir kriegen.." Das war noch gar nicht ganz ausgesprochen, als die ersten 9 Stäbchen ihre Weihrauchfahnen zur Tempeldecke verströmten.
Schon waren die zwei eine Nische weiter gerobbt. Konfuzius schaute auf beide herab. "zisch, zisch, zisch", "jetzt für alle Körbe zum Ende der zweiten Halbzeit. Wieviel hast du schon?", die Frage hörte sich westfälisch an. "Sind 15 genug?" kam es mit rheinischem Tonfall zurück. "Mathematisch nie," sagte der Erste, "aber lassen wir es mal dabei..".
Nach weiteren 10 Minuten, der Erste robbte von Nische zu Nische, der Zweite sprang wie ein Sportstudent von Sandtrog zu Sandtrog, war der Raum in eine Weihrauchfahne gehüllt, die einem das Sehen unmöglich machte. Mittlerweile brannten 26 Stäbchen und 5 Weihrauchspiralen.
"Lass uns abhauen..", der Erste war schon durch die Tür verschwunden, als der Zweite, fast über den Drachenteppich stolpernd, doch noch 27 und 28 einrammte. "zisch, zisch".
Viel hab ich nicht mehr gesehen, der Rauch verhüllte den Tempel wie in einer Opiumhöhle. Das Letzte, was sich sah, war, dass der goldene Buddha mir beim Verlassen des Tempels noch ein Auge zudrückte.
Natürlich brauchen wir keinen Weihrauch. Russland zu besiegen, schafft unser Team mit souveräner Leistung. Alles Gute von Korfball-Deutschland.
Jochen Schittkowski
Presseservice Team Germany
Zimmer 2516 * URBAN HOTEL 33 * Minzu 2nd Road, Sinsing Distict, Kaohsiung/Taiwan (Republic of China)