7. November 2015

WM-REPORT 8 * Sieg über Russland – wir spielen um Platz 5

Wir hatten uns dieses Spiel schwieriger vorgestellt. Es war kein Nervenkrimi, es war kein Hinterherlaufen, es war kein Kampfspiel. Wir hatten das Spiel zu jeder Zeit unter Kontrolle. Wir haben sie, wie vorher analysiert, an ihren Schwachstellen getroffen und über diese gesiegt. Dieser Sieg tut gut. Wir gewannen gegen Russland mit 24 : 17 und stehen jetzt im Spiel um den 5. Platz dieser Weltmeisterschaft.
Es war auch ein Spiel um die Qualifikation zur Teilnahme an den World Games in 2017 in Wroclaw/Polen. Dazu später mehr.
Als wir um 12.00 Uhr in Antwerpen die Lotto-Arena betraten, war das sehr beeindruckend für uns. 5.000 Sitzplätze bei einem Korfballspiel sieht man nicht alle Tage. „Hut ab“ vor dieser Organisation. Eine „Riesenhalle“, Banden-Leuchtwerbung, Stewards und Crew-Mitglieder leiten den Weg in die Umkleiden oder an die Stellen, die für uns wichtig sind. Dort: Ledersessel zum „Wohlfühlen“. Wir fühlten uns wohl. Die Analyse unseres heutigen Gegners war umfangreich und ausgiebig.
Zielvorgabe Ruben Boode/Vincent van der Slot: „Wir greifen sie über ihre Schwachstellen an, das sind eindeutig die Frauen. Wir müssen um jeden Preis die Würfe der beiden stärksten Russen unterbinden. Dann haben wir sie!“ Manchmal leichter gesagt, als umgesetzt. Allerdings: Dieses deutsche Team ist stark. Und hat sich gegenüber der EM in Portugal enorm weiterentwickelt. Es kommt dazu: das Russische Team kann nur 6 Männer und 6 Frauen aufbieten. Vielleicht ist die körperliche Verfassung zum Ende des Spiels auch eine Entscheidung zu unseren Gunsten.
Das Spiel begann um 14.00 Uhr leider mit wenig Publikum. Timon Orth setzte den ersten Treffer. Danach ging Russland 2:1 in Front. Uns gelangen dann „5 in Folge“ und wir merkten, wie dieses Spiel funktionieren könnte. Unser Team spielte diszipliniert, heißt: nicht werfen um jeden Preis, sondern die beste Wurfchance suchen und dann nutzen. Auch der Kampf unter dem Korb um Balleroberung zu erreichen, war heute wesentlich besser ausgeprägt, als zu Beginn dieses Turniers. Möchte fast sagen: Unsere Rebounder-Positionen arbeiteten je nach Besetzung ziemlich gut. Und: unsere Spieltaktik, siehe oben, trug schon früh Früchte. Es ging munter hin und her, Russland kam heran auf 5:7, 7:8, glich aus zum 10:10.
Jana Kierdorf, Anna Schulte,Timon Orth,Foto:Schittkowski
Timon Orth und Jana Kierdorf,Foto:Schittkowski
Dann warfen unsere Frauen 6 in Folge (Karen Fuchs 3, Jana Kierdorf 2, Anna Schulte 1). Zur Halbzeit 10:15. Das war beruhigend.
In der Kabine musste nicht mehr viel Neues erklärt werden. Ruben Boode. „Weiter so und wir machen nach der Hälfte der 2. Halbzeit – dabei nahm er gedanklich einen Ast in die Hand, hielt ihn vor sich - und sagte „knack“. So knacken wir sie.“
Nach der Pause bekamen wir einen Anschlusstreffer, aber Dominc Düring versenkte zwei hintereinander, erhöhte auf 11:17. Wir wussten es vorher, jetzt sahen wir es, wie dieses Spiel gewonnen werden könnte. Dazu gönnten die Trainer einigen Spielern kurze Pausen. Johanna Gnutt kam für Carolin Rudolph und traf nach 15 Sekunden, Anna Orth kam für Karen Fuchs und traf genauso schnell. Dazu entlastete Fabian Kloes durch Wechsel Steffen Heppekausen. Beide führten nach wenigen Minuten Erholungspause den gleichen Wechsel in anderer Reihenfolge erneut durch. Das ist Teamwork, und: es ist gut, wenn man Spieler auf der Bank hat, die eine Position adäquat ersetzen können.
Wir führten 20:15. Russland verkürzte auf 20:17. Ist zwar bitter, beunruhigte uns aber nicht. Wir fühlten uns sicher. Das war 4:38 Minuten vor Abpfiff.
Es musste uns auch gar nicht mehr beunruhigen, denn „knack“ – die Moral der Russen war gebrochen. Sie spielten noch, aber nicht „richtig“. Nach „4 in Folge“ durch Jana Kierdorf, Anna Orth, Sven Müller und Timon Orth war das Thema „Russland bei der WM“ erledigt. Ich schreibe das ein wenig respektlos, aber es spiegelt die Wahrheit wieder. Im letzten Jahr hatten wir gegen Russland verloren, durch Golden Goal. Das war genauso böse, wie unsere Revanche heute. So ist das im Sport: es gilt nur der momentane Augenblick. Heute waren wir die Gewinner. Verdient. Sicher. Weil wir das bessere Team waren.
Möchte dennoch anmerken, dass mit Dimitry Kazachkov ( 43 Treffer ) der bisher zweitbeste Korbschütze dieser WM im gegnerischen Team gegen uns gespielt hat.
Rückblick: wie oft habe ich von Schiedsrichterentscheidungen gesprochen, die aus unserer Sicht nicht ganz unseren Erwartungen entsprochen haben? Gefühlt in jedem Spiel, oder? Heute? Alles gut. Nur: wenn man einen niederländischen Coach auf der Bank hat und einen (belgischen) Schiedsrichter, der die gleiche Sprache spricht, sind innerkommunikative Missfallensäusserungen (von unserem Coach) in Richtung Bank zum Feld niemals zu vermeiden. (Köstlich).
Der Sieg bringt uns in das Spiel um Platz 5 oder 6 dieser WM. Hätte das jemand vorher erwartet? Ganz ehrlich: wir können stolz sein auf diese Leistung. Denn: Wir haben bereits mehr erreicht, als wir uns erträumt haben. Das fing damit an, unter die TOP 8 zu gelangen. Jetzt sind wir bereits TOP 6.
World Games? Die Qualifikation ist in den Begleitreports ausreichend beschrieben. Wir sind so gut wie durch. Es gibt Quellen, die bereits gratulieren. Aber: nur eine Sieg über Katalonien am Sonntag, gibt uns hier und jetzt die 100% Sicherheit. Theoretisch könnte zwar Katalonien, vorausgesetzt sie gewinnen am Sonntag gegen uns, dann an den World Games teilnehmen. Allerdings nicht als Katalonien, sondern als Spanien. Das werden sie nach heutigem Ermessen niemals tun, aber theoretisch möglich. Darum: halten wir „den Ball flach“ und jubeln erst, wenn es „amtlich“ ist.
Ach so: unser Gegner im Spiel um Platz 5 am Sonntag, in der dann mit 5.000 Plätzen ausverkauften Lotto-Arena, wird Katalonien sein, die heute China mit 32 : 23 besiegt haben. Weiterer Höhepunkt: der Belgische König wird in der Arena anwesend sein.
Noch eins: morgen haben wir einen freien Tag vor dem großen Finaltag. Wir freuen uns darauf.
Gute Nacht aus Antwerpen, Hotel TYRP, 00:26. Jochen Schittkowski, Team-Manager dt. Korfball-Nationalmannschaft