4. November 2015

WM-REPORT 6 * wir können gegen England nicht mehr gewinnen

Heute Mittag hatte ich im Report Nr. 5 noch die Möglichkeiten aufgezeigt, wie der weitere Weg unseres Teams in Belgien aussehen könnte. Seit 19:30 Uhr gibt es eine Möglichkeit nicht mehr: Der 2. Tabellenplatz im Pool F ist nicht mehr erreichbar, bedeutet: Spiel um Platz 3 und 4 nicht mehr spielbar. Wir verloren heute gegen England mit 15:26.
Wenn mir jemand vor 8 oder 6 oder 3 Wochen gesagt hätte, ich würde am 3. November 2015 schreiben: „…. Platz vier ist nicht mehr erreichbar…“ hätten ja nicht nur ich, sondern auch viele andere uns für verrückt erklärt. Platz 4? Nicht mehr erreichbar? „Wovon träumen die denn?“ Es wäre heute möglich gewesen. Aber das englische Team stand uns Wege. Zum Schluss deutlich. Hätten wir eine Chance gehabt? Warum gab es für uns so eine hohe Niederlage? Was war passiert?
Dass unser Team überhaupt die TOP 8 erreicht hat, ist bemerkenswert. Dann allerdings sind theoretisch zunächst mal Wege offen. England scheint unser Angstgegner zu sein. Schon im Vorfeld hörten wir warnende Stimmen vor dem Team mit dem roten St. Georgs-Kreuz auf weißem Feld. Vor einem Jahr, bei der EM in Portugal, es war am 26.10.14, verloren wir 20:16. Vier Körbe Differenz „nur“. Auch damals mussten wir die Stärke des englischen Teams anerkennen.
Heute spielten wir zunächst, ergebnisorientiert, zu Beginn erst einmal gut mit. Bis zum 9:9 gab es nur ein-Körbe-Führungen. Das war in Minute 18. Dann warfen die Engländer 4 in Folge. Nach drei Treffern nahmen unsere Trainer das erste „Time out“, wohlwissend, dass eine Ansprache von Nöten war. Nützte wenig. Nach der Auszeit ging England „3 vor“.
Halbzeitstand 12:13 gegen uns.
Das hörte sich ja nicht schlecht an. Aber die Realität auf dem Platz sah anders aus. In Halbzeit 2 führten uns die Engländer mit 3 :13 vor. Man staune: wir schafften in den zweiten 25 Minuten nur drei Körbe. Der Faden war verloren, die Treffsicherheit sowieso.
Anna Schulte sagte hinterher: „Wir hatten nie den Zugriff zum Spiel“.
Ich notierte in mein Buch: England ist heute (oder gerade kontinuierlich) ein starkes, kompaktes Team, äußerst robust und kampf- und spielstark. Es gibt keine besonders herausragenden Einzelspieler, sondern England ist als Team stark. Es kämpft einen Gegner bis zur letzten Minuten nieder und kann mit jedem Angriff gefährlich sein. Sie geben nie auf.
Besonders dann, wenn es, wie heute, einen Gegner hat, der Schwachstellen offenbart, ist das Ergebnis schnell übertrieben hoch.
Ruben Boode nach dem Spiel: „Der Grund ist, dass England Spieler besitzt, die wirklich mit allen Mitteln gewinnen wollen, wir konnten dem heute nichts entgegensetzen. Wir haben versucht, heute allen Spielern eine Chance zu geben. Das war vielleicht ein wenig zu spät, denn zu diesem Zeitpunkt war unsere Moral bereits gebrochen. Leider können die Engländer auch auf veränderte Situationen reagieren, wenn ihre Gegner ihre Spielweise ändern. Sie haben immer eine Antwort parat. Nicht zu vergessen, dass das englische Team schon lange zusammenspielt. Man erkennt deutlich eine geschlossene Mannschaftsleistung. Heute war England besser, sie haben verdient gewonnen. Oder wir haben verloren, als wir erkennen mussten, dass wir nicht mehr gewinnen können. Ich spreche nicht von „Aufgabe“, aber wir waren nahe daran. Dabei meine ich gar nicht den körperlichen Einsatz, sondern das, was im Kopf passiert.“
Auf die Frage nach dem morgigen Gegner China, antwortete Ruben Boode: „Ich erwarte nicht ein Team, dass auf dem englischen Niveau spielen wird. China kann nicht verschieden reagieren. Sie spielen ihr momentanes Spiel überraschend gut. Wir müssen in der Defensive verhindern, dass das passiert. Wir werden Strategien entwickeln, um dem Spiel unseren Stempel aufzudrücken.“
Spiegeln diese Eindrücke die heutige Niederlage wieder? Ich glaube: ja. Es war nicht unser Tag. Und: Morgen kämpfen wir um Platz drei der Gruppe. In den Spielen um die Plätze 5 bis 8 werden wir es, außer morgen gegen China, mit Russland und Katalonien zu tun bekommen. Gegen beide Teams haben wir im letzten Jahr bei der EM gespielt und jeweils mit einem Treffer Differenz verloren. Es gibt also Einiges gutzumachen.
Starten wir damit morgen mit China.
Katharina Holtkotte, Steffen Heppekausen, Foto: Schittkowski
Anna Schulte, Timon Orth, Foto:Schittkowski