4. November 2014

EKC Report 12 * zum Schluss

Der EKC 2014 ist seit gestern Abend Geschichte. Für das Team noch nicht, wir sitzen im LH Flug 1177 von Porto nach Frankfurt, Flughöhe 9.000 m, Turbulenzen veranlassen den Kapitän, den Service noch nicht zu starten. Es schaukelt tatsächlich etwas mehr als sonst. Über den Wolken hat man aber Zeit, über die letzte Woche noch einmal nachzudenken…
Zunächst mal das Wichtigste: Unser „headcoach“ Ruben Boode ist wieder fit. Nach drei Tagen Magen-/Darminfektion, die ja sogar dazu führte, dass Vincent van der Slot in unserem Spiel gegen Katalonien in Vertretung als Cheftrainer auf der Bank saß, und ärztlicher Behandlung, ist heute Morgen wieder alles im „grünen Bereich.“ Der komplette Finaltag und das abschließende EM-Dinner mit „Players Party“ fand ohne ihn statt. Auch sonst sind alle fit und ohne Verletzung geblieben. Von kleinen Nachwirkungen nach der Abschlussparty gestern Abend auf einer portugiesischen Farm mal abgesehen.
Jetzt ist sie also vorbei, die EM. Die reinen Fakten:
Alter und neuer Europameister sind die Niederlande. Im Finale begann Belgien furios, führte mit 2:0 und wir hofften, dass es ein spannendes Endspiel werden würde. Wurde es aber nicht. Die Übermacht im Weltkorfball überrannte das Team aus Belgien und siegte mit 32:20 Körben. Endspielspannung sieht anders aus. Die Bronzemedaille ging verdientermaßen an das Gastgeberland Portugal, das im Spiel um den dritten Platz gegen England souverän mit 22 :14 gewann. Am Finaltag war dann auch die Sporthalle bis (fast) auf den letzten Platz gefüllt. Ich zählte fast 600 Zuschauer, bestehend aus den „Blöcken“: Mannschaften, IKF-Offizielle, und Fans. Die meisten natürlich aus Portugal, einige aus den Niederlanden, mehr aus Belgien, sehr wenige aus Schottland, England und Katalonien. Wir waren fanlos.
Die Siegerehrung fasse ich mal zusammen mit „durchschnittlich langweilig mit kleinen Highlights“. Man fragt sich eigentlich, warum niemand auf die Idee kommt, etwas Besonderes zu machen. Einmarsch der 16 Mannschaften mit Schilderträgern, wir inmitten der anderen Teams an 10. Stelle, die drei Medaillenmannschaften Niederlande, Belgien und Portugal vor Kopf. Kein Siegerpodest. Keine Blumen. Kein roter Teppich. Die Lautsprecheranlage wegen mangelhafter Raumakustik unverständlich. Die Teams erhalten die Medaillen von unterschiedlichen, meist hohen Funktionsträgern. Ganz nett: der Präsident IKF Europa überreicht Medaillen, der Präsident des portugiesischen Korfball-Verbandes, auch der Bürgermeister aus Maia zusammen mit dem IKF-Präsident Jan Fransoo. Die Portugiesen lassen Sektkorken knallen und Sekt spritzen wie ein Formel-Eins-Gewinner. Natürlich dadurch „Gewuhsel“ an der Stelle der Bronzemedaillengewinner, dadurch wurde leider der zeitgleichen Übereichung der Silbermedaillen an Belgien keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt.
Nach der Überreichung der Medaillen darf der Turnierfotograph die Mannschaften als „Gruppe“ fotografieren und löst somit die Grundformationen der Zeremonie auf. Grenzwertig. Aber ganz nett: das Hießen der drei Landesflaggen und das Spielen der IKF Hymne.
Danach: Ausmarsch der Teams und das war es dann. Die Wahl des besten Spielers, männlich und weiblich, des besten Korbschützen, männlich u weiblich, wurde auf die Abschlussparty verschoben. Der Saal dazu, auf einer Farm vielleicht 20 Busminuten von Maia entfernt, fasste vielleicht 350 – 400 Personen. Und die waren auch in dem Saal, alle stehend. Vorne war der Saal 10 m breit und dort wurde dann nach dem Abendessen das Mikrophon benutzt, um zuvor genannte Personen zu ehren. Nur die 50 Personen, die im Halbkreis den Sprechern zuschauen konnten, es gab ja kein Podest, hörten auch zu. Alle anderen 300 Anwesenden verstanden nichts und redeten deshalb durcheinander. Von feierlicher Honorierung der Leistungen keine Spur, das hätte man ebenso per Info-Mail machen können. Böse, ich weiß, aber wir waren auch enttäuscht: Wir zahlten einen nicht unerheblichen Betrag für diese Party mit „Dinner“ und konnten nur vom Buffet aus der Hand im Stehen essen. Kein Tisch, kein Hocker, kein Stehtisch. Habt ihr schon mal einen Teller gehalten, mit der Gabel gegessen und dann noch Eurer Glas gehalten? Mir fehlt dazu ein dritter Arm. Sorry, das war gar nichts. Als es um 23.00 auch keine Getränke mehr gab, verließen wir die „Players Party“ und feierten individuell an verschiedenen Orten in Maia und Porto.
Im Bus auf dem Weg vom Hotel zum Flughafen sagte Ruben Boode zu mir: „Ich bin zufrieden, wir haben platzierungsmäßig nicht das erreicht, was wir wollten, aber wir haben mehr in den Köpfen erreicht. Wir haben uns weiterentwickelt, um eine bessere Art von Korfball zu spielen.“ Anmerkung: Dazu hatte das Trainerduo Boode/van der Slot ja nur drei Monate Zeit, denn wir starteten ja mit dieser Vorbereitung erst im August. Boode weiter: „ Wir haben das Spiel gegen Katalonien verloren, aber für unser deutsches Spiel unheimlich viel gewonnen.“
Übrigens: es geht nicht automatisch weiter, diese Zwischenlösung mit Ruben Boode und Vincent van der Slot war nur eine zeitlich begrenzte Übergangslösung. Um diese Entwicklung voranzubringen und weiterzuführen, sind jetzt Überlegungen und Gedankenspiele notwendig. Das sollte zeitnah geschehen, denn auch die alltägliche Korfballarbeit hat uns ja nun wieder. Ein neuer Staffelleiter ist gefunden. Auch wenn nur temporär, aber danke an die Beteiligten, diese Lösung zu finden. Auch an die beiden Unterstützer, die Jan für diese Saison helfen werden.
Bleibt uns jetzt „nur“ noch unsere internen Probleme zu lösen, die Strukturen zu verbessern und den deutschen Korfball zu fördern und zu entwickeln. Der 10. Platz dieser EM war ja regeltechnisch bedingt. Polen, im Flieger nach Frankfurt sitzt das polmische Team wieder neben uns, ist Achter geworden, Ungarn Siebter. Beide Nationen nahmen die Gratulationen dazu nur ungerne an, wohlwissend, dass Katalonien und Deutschland leistungsmäßig höher und besser spielen. Auch dieses Regelwerk bedarf der Anpassung. Beim IKF Meeting in Maia wurden bereits neue Strukturen diskutiert. Soll es alle zwei Jahre eine EM geben? Dann mit acht Teams? Und in den Jahren dazwischen Quali-EM‘s der Teams Neun bis Sechszehn? Es wurden Arbeitsgruppen gebildet, die über Organisationsstrukturen und Finanzierung Lösungen erarbeiten sollen. In beiden „Workshops“ sind wir vertreten.
Nicht jeder ist übrigens ganz glücklich. Es gibt immer eine Startacht, die in Maia oft gewechselt hat. Einwechselungen gab es immer, aber eben nicht immer für alle. Das mag auch mal zu Unzufriedenheit führen. Gewiss ist: Alle Spieler sind wertvoll und werden unbedingt gebraucht. Das sollte über eventuelle Unzufriedenheiten hinweghelfen. „Morgen“ geht es weiter.
Um mit etwas Positivem für das „Morgen“ diesen Report zu enden: Der TM hat seine Bereitschaft erklärt, das Team weiter zu managen. Auch unser Physio ist weiter „an Bord“. Das ist ja schon mal eine Basis.
In Kürze das Resümee dieser EM: Emotional, representativ, Motivation: Daumen hoch, sportlich: Daumen horizontal.
Das war unsere Berichterstattung von den Europameisterschaften 2014 in Maia/Portugal. Wir hatten eine tolle Woche, aus meiner Sicht ist in uns „etwas hängengeblieben“. Danke an das Team, danke an die Unterstützer zu hause. Danke an „dr. föhlens“/Tobi Kehlenbach für deinen prima Job.
Danke an Ruben Boode und „Vinci“ van der Slot für Euer Engagement, Euren Wissenstransfer, Eure Motivationskunst und Euren Versuch in das Einfühlungsvermögen deutscher Denkweise.
Danke an die Leser von korfball.de, die ihr uns auf dieser Seite mit meinen Reports begleitet habt. Danke für die „Zwischendurch-Danke-Schöns“ und Euer Interesse.
Dies war der letzte Report.
Danke an das Team „EKC 2014“. Gibt es etwas zu bemängeln? „Dat künnen Sie nit sagen!“, „jawooouull“ (running Gag, sorry: nur für Insider)
Obrigado
Jochen Schittkowski
Teammanager der deutschen Korfball-Nationalmannschaft
an Bord LH 1178 Frankfurt-Porto und ICE 504 Frankfurt-Köln