1. November 2014

EKC Report 10 * Interview mit Dr. föhlens

Die Berichterstattung über diese EM begann mit der Vorstellung des „Teams“ um das Team. Wichtiger Bestandteil der Mannschaft ist der Physiotherapeut, ohne den das Megaereignis „EM“ niemals erfolgreich stattfinden kann, weil er eine wichtige Säule der Mannschaftsarchitektur ist. Ich sprach mit Tobias Kehlenbach (32), dem „Physio“ unseres Teams, am spielfreien Freitag….
Vorgeschichte:
Das Interview vom Oktober 2014 hatte einen Vorgänger: Vor fast genau 6 Jahren, am 8. Nov. 2008 interviewte ich Tobias bei der U23-WM in Kaohsiung in Taiwan in unserem Mannschaftshotel. Parallelen sind erkennbar, Abweichungen auch. Ich komme darauf zurück.
Heute:
In unserer App-Gruppe (in Taiwan gab es natürlich noch keine App-Gruppe) heißt unser Physio „Dr. föhlens.“ Rheinländer werden sicher denken: „kommt mir bekannt vor!“. Westfalen kläre ich dann mal später auf.
Jochen:
Wo arbeitest du im Moment in Deutschland? ||Tobias:|| ich bin momentan selbstständiger Physiotherapeut, Chiropraktiker (Heilpraktiker) im Raum Köln/Bonn. Ich bin hauptsächlich mobil unterwegs. Kontakte sind über meine facebook-Seite möglich: „jolly roger physio crew“. Diese Seite soll Kollegen und Patienten zu aktuellen Themen dienen, z.B. Verletzungen. Hier beispielhaft: „Schweinsteiger während der Fussball-WM oder Marco Reus vor der WM….“ Jochen: das ist auch die Möglichkeit, mit der man mit dir Kontakt aufnehmen kann? Tobias: ja, genau
Jochen: Was hast du an Material dabei? Tobias: 50 Rollen Sporttape, Massageöle, Cremes, Kinesiotape, Bandagen, Eissprays, Pflaster, Medikamente und für die Tätigkeit als Heilpraktiker: Akupunkturnadeln.
Jochen: Als wir Frankfurt abflogen, hattest du einen kompletten Koffer mit Physiomaterial dabei. Das war Übergepäck und musste separat bezahlt werden. Tobias: genau, kostete 75 Euro
Jochen: Wer bezahlt denn eigentlich die Materialien, die heute hier in diesem Zimmer sind? Tobias: zum Teil aus Sponsoring-Verträgen zwischen dem DTB und k-active, siehe auch www.k-active.com., da ich für diese Firma als Dozent tätig bin. Das ist allerdings schon immer in den letzten Jahren so gewesen. Übrigens auch in Taiwan.
Anmerkung des Autors: Das Übergepäck nach Taiwan war durch China Airlines kostenfrei, jetzt müssten wir an Lufthansa bezahlen.
Tobias: Außerdem unterstützt der VFK – Förderverein diesen wichtigen Mannschaftsteil.
Jochen: Teile uns doch mal dein Tagesprogram hier in Maia mit. Tobias: (lächelt) Nachdem ich vom Teammanager mit sanfter Musik geweckt werde….
Anmerkung: Teammanager und Physio teilen sich ein Zimmer und damit natürlich auch alle wichtigen Gewohnheiten: Musik, Aufstehzeit, Klimaanlage an oder aus, Fenster auf oder zu, Superbock teilen oder jeder eins….
Tobias weiter: …geht es meistens los mit dem täglichen morgendlichen Motivations-Posting in unserer EM-App-Gruppe, das passend zum Tag ausgesucht wird.
Anmerkung: Motivationspost vom Sonntag: „Wenn du einmal aufgibst, wird es zur Gewohnheit, gebe niemals auf“ (Michael Jordan). Oder gestern:“ Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“ (Karl Lagerfeld). Siehe: Motivationssprüche können durchaus unterschiedliche Ziele verfolgen.
Tobias weiter: es kann aber auch schon sein, dass vor dem Frühstück der erste „Patient“ an unsere Tür klopft und „Betreuung“ braucht. Danach Frühstück. Danach dann definitiv erste Behandlungen von Verletzungen des Vortages oder Weiterbehandlungen oder neue Beschwerden.
Nach den Teambesprechungen hängt dann die weitere Aktivität davon ab, wann und wo wir Spiele oder Training haben. Dazu gehört der Transport des Materials in die Halle. In der Halle dann Früchte organisieren und Wasserfalschen bereitstellen. Darauf achten, dass das Warm-up ordentlich von statten geht. Gegebenenfalls kleinere Motivationsgespräche führen.
Während des Spiels natürlich das Spiel und die Spieler beobachten, um richtig auf Verletzungen zu reagieren zu können und die Verletzungsmechanismen sehen zu können. Dazu muss man die Spieler beobachten, auch wie sie nach einem Sprung landen oder wie sie auf dem Hallenboden auftreten oder ob sie umgeknickt sind. Jochen: ich unterbreche mal hier: die „große Verletzung“ hat ja bei diesem Turnier zum Glück noch nicht stattgefunden.
Tobias weiter: nach dem Spiel: eventuell „cool-down“ mit auslaufen und Dehnübungen machen. Das können die Spieler aufgrund unserer Praxis der letzten Jahre auch schon sehr gut alleine machen.
Zurück im Hotel: dann nach dem Training oder dem Spiel die Nachbehandlung auf der Massagebank in unserem Zimmer.
ekctwb
Anmerkung: Wir haben unser Zimmer von „Zimmer 408“ umbenannt in „Tobis Wellnessbude“. Und ich sage Euch: Da herrscht nach dem Abendessen immer noch reger Betrieb.
Tobias: stimmt, das sind meist muskuläre Beschwerden, Beinlockerungen und Massagen, Behandlung von Schulterbeschwerden. Alles in Allem aber nichts großartig Dramatisches.
Jochen: Bei häufigen Fragen von Sportlern zu Kopf- und Halsschmerzen und der Frage nach dem richtigen Medikament ist ja wohl dann dein erster Blick auf die Dopingliste wichtig? Tobias: Genau, aber zuerst fragen wir mal, ob überhaupt Medikamente von Nöten sind.
Anmerkung: Trotz Ankündigung (und ständiger unangemeldeter Möglichkeit) hat es in Maia noch keine Dopingkontrolle gegeben. Dazu hat der Teammanager ständig alle Pässe in der Halle mitzuführen. (Lästig)
Anmerkung und Zwischenfrage Jochen: Es gibt ja den aktuellen Wettkampf des Korbshootings zwischen dir und dem Teammanager, bei dem du im Moment 0:2 zurückliegst. Wie gehst du mit dieser Belastung um? Tobias: Absolut entspannt, ich bin noch guter Dinge, dass ich den Teammanager noch einholen werde, auch wenn wir nicht mehr viel Zeit haben. Ich glaube noch zum Ausgleich zu kommen, um dann den Preis teilen zu können.
2. Anmerkung: heute wurde vom Bundestrainer mitgeteilt, dass dieser Wettbewerb morgen mit Golden Goal entschieden wird. Wer morgen als erster in den Korb trifft, erhält drei Punkte. Wenn TM trifft, steht es 5:0, wenn Physio trifft, steht es 2:3. Das Regelwerk könnte vom IKF sein, ich verstehe es nicht, aber dem „bonds-coach“ widerspricht man eben nicht. PS: Der Bundestrainer ist der Coach vom Physio, der TM wird von Vincent van der Slot betreut.
Jochen: werfen wir noch einen Blick in die Zukunft. Wir sind für die WM in Belgien im nächsten Jahr qualifiziert. Bist du dabei? Tobias: Gerne und grundsätzlich ja. Es macht einfach unheimlichen Spaß mit der Mannschaft, die wir ja jetzt auch schon lange betreuen. Wie wir eben festgestellt haben: seit 6 Jahren. Wenn es sich also einrichten lässt und finanziell möglich ist: gerne. Ich sage „wir“, weil Dominik Werthmann auch immer noch im Team ist.
Jochen: vor 6 Jahren in Taiwan hatte ich diese Abschlussfrage gestellt: Wer ist für dich der beste Sportler aller Zeiten? Ich wiederhole sie heute. Tobias, lacht: hatte ich damals gesagt: „Boris Becker“? Den besten Sportler aller Zeiten zu nennen, ist schwierig, weil mich viele Sportler begeistern. Ich finde gut, wenn sich Sportler nach Rückschlägen oder Verletzungen wieder zurückgekämpft haben, also den besten könnte ich auf Anhieb nicht nennen. Jochen: du bist auf einem guten Weg, ich lüfte das Geheimnis deines Satzes von vor 6 Jahren. In Taiwan hast du auf meine Frage geantwortet: „ Alle Sportler, die unentgeltlich Sport treiben, aber unbekannt sind, vor allem Sportler von Behindertenwettkämpfen.“ Da sehe ich durchaus eine Parallele zu deiner heutigen Antwort. Du bist dir in der Grundausrichtung treu geblieben.
Tobias, danke für das Gespräch.
Dr. föhlens Auflösung für Nicht-Rheinländer: „Dr. föhlens“, rheinländisch, „föhlens“ = „fühlen Sie mal“, also eine Aufforderung an einen Arzt, eine Blessur oder Beschwerde zu ertasten oder zu fühlen. Auch eine Figur aus dem Kölner Karneval.
Vincent van der Slot: „Tobias ist ein guter Typ. Er hat eine Menge Kenntnisse, die sich in guter Behandlung niederschlagen. Trotzdem ist er oft fröhlich und kommt mit den Spielern gut aus. Für einen Mannschaftsphysio eine gute Kombination.“
Sven Müller: „Ein echter ‚Kölsche Jung‘, immer gut drauf, pfeifft immer ein Liedchen und sieht immer nur das Positive.“
Gibt es etwas hinzuzufügen? Ich glaube nicht. Alles ist gut. Du machst einen prima Job, danke Tobi.
Guten Morgen aus Maia Jochen Schittkowski